„Wuhuuuuuuuuu!“ Laut juchzend und lachend sausen Krümel und ich auf einem Drehstuhl durch die Büroabteilung eines großen schwedischen Einrichtungshauses. Mit jeder wilden Drehung drückt es Krümel tiefer in meinen Schoss, mit seinen kleinen Händen hält er sich mit eisernem Griff an mir fest und sein Grinsen wird dabei immer breiter. Die Leute schauen. Und Krümel und ich, wir haben Spaß. Auch wenn in der hintersten Ecke meines Kopfes eine leise Stimme schimpft: „Das macht man aber nicht! Was denken da nur die Leute?!“
Manier oder kleine Augenblicke im Alltag auskosten?
Uns beide stört das aber nicht weiter. Weder die Stimme in meinem Kopf noch die Blicke der anderen, wir genießen gerade einfach nur unser Spiel. Natürlich kann sich Krümel auch „benehmen“, wie es so schön heißt. Aber irgendwann ist auch die Geduld eines Einjährigen schnell vorbei. Und warum bitte schön, soll das Einkaufen nicht auch Spaß machen. Die anderen trauen sich ja nur nicht. Oder? Überhaupt mache ich mit Krümel zusammen so einiges, das sich andere wahrscheinlich nicht trauen, aber selbst gerne einfach tun würden. Seit ich selbst Mama bin, sehe ich einiges in einem anderen Licht. Zum Beispiel dieses ganze Hasten. Wir Erwachsenen hasten von einem Termin zum nächsten, von einem Ort zum nächsten, von einer Pflicht zur nächsten. Natürlich lässt sich das oft einfach nicht vermeiden. Aber kleine kostbare Augenblicke lassen sich doch häufiger ausschöpfen, als es uns bewusst ist. Ich habe hier schon einmal darüber geschrieben, wie sehr mich Krümel entschleunigt. Wenn wir so spazieren gehen und der kleine Mann plötzlich wieder einen unendlich wertvollen Stein für sich entdeckt. Dann müssen wir eben sofort stehenbleiben und der Kiesel wird minutenlang genau untersucht. Früher wäre mir der Geduldsfaden sehr schnell gerissen und ich hätte mit allen Mitteln versucht, Krümel weiterzulocken. Heute atme ich meistens tief ein und aus und setze mich einfach an Ort und Stelle auf den Boden neben ihn. Das kann mal mitten auf dem Bürgersteig sein, auf einer Wiese oder sonst wo, wo sich Steine eben gerne tummeln. Und dann sitze ich dort, genieße den Moment und betrachte meinen Sohn. Und schon sind Alltag, Hektik und Sorgen vergessen. Natürlich geht das nicht immer, aber doch häufiger als man vermuten würde. Und nach genauer Betrachtung kommt Krümel von selbst auf mich zu, nimmt meine Hand und wir gehen weiter. Dass ich währenddessen neugierige, manchmal auch verpönte Blicke ernte, bemerke ich schon gar nicht mehr.
„So erzieht man aber nicht!“
Bei einem Wutanfall ist das natürlich etwas anderes. Da ist es schon wesentlich schwieriger, sich auf sein Kind zu konzentrieren und das „Publikum“ um einen herum auszublenden. Aber dennoch: Auch hier versuche ich nicht nach Manier zu handeln, die Situation also schnell aufzulösen, notfalls meine Überlegenheit zu demonstrieren und Krümel einfach hochzuheben und wegzutragen. Sondern ich bleibe bei ihm und seinem Problem und gemeinsam versuchen wir eine Lösung zu finden. Im Hintergrund immer mal wieder dabei: Kopfschüttelndes Publikum. „So erzieht man aber nicht!“ Puh, was für ein Glück! Mein Kind soll von mir auch gar nicht erzogen werden. Es soll seinen eigenen Weg gehen, für sich und andere einstehen, eigene Entscheidungen treffen können und vor allem: Glücklich sein. Und wild drehend und juchzend auf dem Bürostuhl sind wir da doch auf einem sehr guten Weg.