Über Windelfrei hatten wir vor Krümel nicht wirklich viel gewusst. In einer Sendung im Fernsehen hörten wir während meiner Schwangerschaft das erste Mal davon. Dort wurde eine junge Familie begleitet, die ihren Sohn über der Badewanne, dem Waschbecken oder im Urlaub am Strand abhielten. Und da hing der kleine Mann dann teilweise eine halbe Stunde lang und die Eltern starrten gebannt auf den kleinen Popo und freuten sich über jeden Pups. Wir fanden das total beknackt. Außerdem stellte ich es mir wahnsinnig zeitaufwendig vor, das Kind den ganzen lieben langen Tag zu beobachten, ob es denn irgendwelche Signale senden würde. Klar, prinzipiell gefiel uns schon der Gedanke, dass das Baby seinen Eltern mitteilen könne, wenn es mal muss. Aber funktionieren konnte das ja gar nicht, oder etwa doch?
„Achtung, ich glaube, der pullert gleich los“
Als Krümel geboren wurde, hatten wir Windelfrei längst wieder vergessen. Die ersten Windeltorten wurden schnell verwertet und ich war schon am Grübeln, wo ich am günstigsten die größten Windelpackungen auf Vorrat herbekommen würde. Krümel machte sich währenddessen ebenfalls fleißig ans Werk und bearbeitete Windel um Windel. Teilweise musste ich ihn in einer halben Stunde vier Mal wickeln. Und obwohl wir immer darauf achteten, dass er nie zu lange in einer vollen Windel liegen musste, unzählige Wundsalben ausprobierten und ihn stets mit einem kleinen Föhn trocken föhnten, begann sein kleiner Popo uns schon bald in den knalligsten Rottönen entgegen zu leuchten. Aber das eigentliche Problem war, dass Krümel von null auf hundert total hysterisch zu weinen und schimpfen anfing. Schnell hatten wir aber raus, dass er wohl (auch wegen dem roten Popo) keine nasse Windeln mochte. Dachten wir. Denn komisch war es manchmal schon: Krümel begann zu brüllen, aber die Windel war (noch) trocken. So wirklich konnten wir uns keinen Reim darauf machen. Wir sprachen dies auch einmal im Wochenbett an, als unsere Nachsorgehebamme zu Besuch da war. Und just in dem Moment lag Krümel nackig auf der Wickelkommode, als ich intuitiv sagte: „Achtung, ich glaube, der pullert gleich los.“ Der Strahl ließ nach diesem Satz tatsächlich nicht lange warten. Unsere Nachsorgehebamme sah uns beide an und sagte: „Das ist doch klasse, dass euch Krümel so tolle Signale gibt, wenn er mal muss. Haltet ihn doch mal ab.“
Von null auf hundert Windelfrei
Da waren wir also doch wieder beim Thema Windelfrei. So wirklich Lust hatte ich ja nicht darauf, denn wo sollte das nur enden? Aber neugierig war ich ebenso, also hielten wir Krümel schon direkt nach diesem Besuch das erste Mal über der Badewanne ab. Und tatsächlich: Er ließ nicht nur laufen als gebe es kein Morgen, sondern… naja, er machte eben auch das andere. Und wir kamen aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Nach den ersten Tagen des unbequemen Sitzens am Badewannenrand trauten wir uns übers Waschbecken, wo die Treffsicherheit schon mal ein wenig darunter litt. Also musste schnell ein Töpfchen her. Das empfahl auch die Windelfrei-Lektüre, die wir uns als Unterstützung unmittelbar zugelegt hatten. Und mit einem Töpfchen im Badezimmer und einem Notfall-Töpfchen im Schlafzimmer waren wir fertig ausgestattet. Wir waren plötzlich sowas von Windelfrei. Die Windeln wanderten in die hinterste Ecke auf dem Wickeltisch und dienten nur noch als Back-up, wenn wir woanders zu Besuch waren oder selbst welchen hatten (denn dann achteten wir oft nicht genug auf Krümels Signale oder Krümel war schlichtweg viel zu abgelenkt, um sich zu melden).
Unser nächtliches Honigkuchenpferd
Voll Eifer versuchten wir dahinter zu kommen, wann es Krümel drückte – schnell mit großem Erfolg. Natürlich gab und gibt es immer wieder Situationen, in denen etwas daneben geht oder man eine leere Sitzung hat. Aber mit jedem Tag Windelfrei wurde die Kommunikation zwischen Krümel und uns besser. Und unbezahlbar waren die Momente, in denen uns der kleine Mann sichtlich erleichtert und unglaublich stolz im Spiegel entgegenblickte und wie ein Honigkuchenpferd breit grinste. Sogar in der Nacht, wenn Krümel zum Pullern kaum die Augen aufbekam, verließen wir das Badezimmer mit einem Lächeln auf dem kleinen Gesicht. Wir fanden Gefallen an Windelfrei, vor allem, weil es Krümel gefiel. Kein Drücken und Schimpfen mehr, kein roter Popo mehr, keine Blähungen mehr – seit Windelfrei ist unser Kind um einiges glücklicher, denken wir immerhin.
Ungläubiges Staunen, Kopfschütteln und Kritik
Die Reaktionen in unserem Umfeld fielen natürlich wie vermutet aus: Von ungläubigen Staunen, Kopfschütteln, Kritik und einigen harten Worten war wirklich alles dabei. Unsere Familie und Freunde hatten noch nie etwas von Windelfrei gehört und waren dementsprechend überfordert mit der Situation. Aber auch hier half statt trockener Theorie und vielen Erklärungen, es ihnen einfach zu zeigen. Und Oma und Opa erkannten sogar schon nach einem gemeinsamen Nachmittag von ganz alleine die Signale! Ganz ehrlich: Es ist schon anstrengend, jedem Neuen erklären zu müssen, was Windelfrei ist, warum wir es machen und dass es auch wirklich funktioniert. Kaum einer kennt es und die meisten verwechseln es auch noch mit dem Sauberkeitstraining – das ja tatsächlich das komplette Gegenteil davon ist. Aber all das ist auch gar nicht wichtig. Denn der einzige Grund, warum wir Windelfrei wirklich praktizieren, ist Krümel. Er hat uns schließlich überhaupt erst darauf gebraucht und das Allerwichtigste ist: Ihm tut es gut, so einfach ist es letztlich doch.
Wie unser erster Familienurlaub mit unserem Windelfreibaby war, könnt ihr übrigens hier nachlesen.